Diese Veranstaltung ist schon vorbei

Wann:

Do 1. Jun 2017, 20:00

Wo: Salzburg Rockhouse, Schallmooser Hauptstraße 46, Stadt, Salzburg

Altersbeschränkung: Alle Altersklassen

Eingetragen von: Oeticket

Eine Schockfront zieht über das Land: Fünf Personen auf engem Raum, tagsüber in einem Van, abends auf festen Elementen, senden heftige elektromagnetische Wellen aus. Körperschall, bis dass die Wände wackeln und jeder Bühnenboden sich in eine Sonnenoberfläche verwandelt! Haben Sie schon einmal von so einem Körperschall gehört? Ja? Verzeihung, das war eine Fangfrage für unsere lieben Infotainment People. Es bringt ja nichts, etwas von oder über Schall zu hören oder zu wissen – man muss es am eigenen Leib erfahren. Erleben, wie das ist, wenn ein Festkörper zu einem vibrierenden Schallbeschleuniger mutiert. Das Beben. Das Flattern. Das Wabbeln. Dabei geht es gar nicht primär um Volumen. Auch ein Posaunenengel muss wissen, was er tut. Und Friends Of Gas wissen, was sie tun!
Das Zentralmassiv: Die pointierten Lyrics und die gewaltige Stimme von Nina Walser! An dieser Stelle kann der Autor dieses Infobriefes nicht umhin, für einen Augenblick und wild gestikulierend vor die Leser zu treten, und auszurufen: Mein lieber Herr Gesangsverein! Diese Stimme ist eine Sensation! Nina Walser klingt und sieht aus wie die Tochter oder Enkelin von Rod Stewart! Nur dass Nina im Gegensatz zu ihrem Alten gehörig was von Postpunk und von Minimalismus versteht. Ihre reduzierte und schneidende Sprache trifft den Nagel einfach auf den Kopf. Wann gab es in der deutschsprachigen Rockmusik je eine ähnlich kehlige Dringlichkeit, eine solch kernige Drastik? Nie!
Konsequenterweise genügt es da auch, ab und zu eine Zeile wie eine Zauberformel zu wiederholen, ein paar prägnante Worte, um den Rest des Stückes wie ein Pirat auf Schiffsplanken, den Blick auf den Horizont gerichtet, das Gewicht mal auf das linke, mal auf das rechte Bein zu verlagern. Denn die Schiffsbesatzung der Friends Of Gas steht der Sängerin performativ in nichts nach:
Veronica Burnuthian pflegt ihre Gitarre dicht unter ihr Kinn und an die Brust geklemmt zu halten, wie Pfeil und Bogen, mit Tönen die Luft zerschneidend. Neben ihr, an der Gitarre, verdreht Thomas Westner beim Spiel die Augen permanent nach oben, in Richtung Mastspitze und Elmsfeuer. Den Bass lauter als beide Gitarren zusammen, scheint Martin Tagar ebenfalls ein Feuer zu unterhalten – den groooßen Dampfkessel. Und Erol Dizdar setzt am Schlagwerk das minimalistische Spiel seines Vorgängers David Ortiz fort, verleiht der Band hin und wieder einen humoristischen Akzent.
Was für ein Gruppenbild! Jedem in der Band wäre zuzutrauen, den Begriff der Synkope nicht nur aus der Musik, sondern auch aus der Medizin zu kennen: Dort beschreibt die Synkope eine plötzlich einsetzende, kurz andauernde Bewusstlosigkeit, die mit einem Verlust der Haltungskontrolle einhergeht. Fantastisch! Von dieser Musik bekommt man Herzklopfen. Diese Band ist Gewalt und Schönheit in Ekstase.
Friends Of Gas wissen also um die Materialität von Klang, eröffnen uns Musik als physisch erfahrbaren Raum, entfachen darin eine sonische Wucht. Allein das ist heutzutage schon radikal. Aber damit nicht genug. Aus jeder Pore der Band sprießt eine körperliche Bedingungslosigkeit, die von manchen als bedrohlich empfunden werden könnte. Eine Verletzbarkeit, die manchen Angst machen dürfte. Eine Risikobereitschaft, die manche gar nicht kennen. Wer diese Band bislang live erlebt hatte, muss sich nun, in Anbetracht der Ankündigung einer Albumveröffentlichung, unwillkürlich fragen: Sollten Friends Of Gas es schaffen, ihre greifbare Musik, die körperliche Erfahrung von Schall, auf einen Tonträger zu bekommen? Ist diese Herausforderung physikalisch überhaupt zu bewältigen ?
Max Rieger, Sänger und Gitarrist von Die Nerven, kam im August 2015 mit einem Rollkoffer voller Mikros nach München, um den Sound der Friends so aufzunehmen, wie es ihrer Form nach gerecht wird: Live, nicht in einem Studio, sondern auf einer Konzertbühne, dem Kafe Kult. Nicht in einer Konzertsituation, sondern indem man sich gemeinsam über mehrere Tage und Nächte den Raum erschloss. Band und Produzent wohnten dort und schliefen dort, in dieser Baracke irgendwo im Nirgendwo. Wo schon Nirvana spielten, als sie kurz vor ihrem Durchbruch standen. Es sollten die heissesten Tage des Jahres sein – Max Rieger arbeitet so, die Band wie in einem Terrarium, in das die Musik hineingeht, hineinkriecht. Der Bass im Zentrum des Raumes, wie ein ewig langer Bandwurm. Irgendwann ist der Raum damit ausgefüllt.
So klingt das Album: Wie ein Raum. So ist ihr Songwriting: Jeden Zentimeter dieses Raumes bearbeitend, dehnen die Musiker den Raum aus, soweit es geht, bis er zu Zerplatzen droht. Die Tür, die zu diesem Raum führt, öffnet sich über ein Zündschloss. Gemastert wurde Fatal schwach in Stuttgart, in den Ralv Milberg Studios.
Hören wir das erste Aufeinandertreffen der Stuttgarter und der Münchner Schule – beim Berliner Schule Label! Danach ist eh alles anders.