Diese Veranstaltung ist schon vorbei

Wann:

Fr 25. Mär 2016, 20:30

Wo: Porgy & Bess, Riemergasse 11, 01. Innere Stadt, Wien

Altersbeschränkung: Alle Altersklassen

Eingetragen von: Oeticket

"Vermeiden Sie bitte das Thema Politik", empfiehlt Larry. Und Larry muss es wissen, er ist schließlich Roy Hargroves Manager. Und Roy Hargrove, der global anerkannte 41-jährige texanische Trompetenkönner, ist das Objekt der Interview-Begierde - auch bekannt als ein Musiker, dem der Ruf vorauseilt, in Interviews mit eher provokanten Ansichten nicht hinter dem Berg zu halten. Nun denn: "Es gibt heute sehr viele Egomanen! Es gibt aber nicht viel Arbeit und nicht viele Gigs für Jazzmusiker. Gerade auf Europa trifft das zu, wo amerikanische Künstler in den frühen 1990er-Jahren, als ich zu touren begann, eigentlich noch sehr willkommen geheißen wurden. Nun kommen dort verstärkt europäische Musiker zum Zug. Das schafft Konkurrenzdruck unter den Musikern und zerstört die Kameradschaft", so äußert Hargrove seine Meinung über die aktuelle Stimmung in der Jazzszene. Gleichzeitig registriert er ein auch anderes Problem bei seinen Kollegen und Kolleginnen: "Viele sind sich zu wenig im Klaren darüber, was es eigentlich heißt, ein Jazzmusiker zu sein, was es dazu braucht: Das Songbook zu kennen, sich in den Harmonien auszukennen und Akkordfolgen zu erfinden, die nicht immer so dissonant, hässlich klingen, sondern ganz einfach schön."Wo bleibt der Fortschritt Er glaube an den Fortschritt, so wirft Hargrove schnell ein, man könne diesen aber zu weit treiben - und formuliert sein Credo: "Ich sehe mich heute als Teil jener Minderheit im Jazz, die die Tradition von Musikern wie Saxofonist Charlie Parker, Trompeter Dizzy Gillespie oder Louis Armstrong aufrechterhält. " Es ist doch verblüffend: So unverhüllt würde selbst ein notorischer Neotraditionalist wie Startrompeter Wynton Marsalis, der übrigens zu Roy Hargroves frühen Förderern zählte, seine konservative Botschaft nicht formulieren. Jazz als Musik des Fortschritts? Hier doch eher Fehlanzeige. Im Zentrum von Hargroves Aufmerksamkeit steht der Respekt vor der Tradition. Auf den ersten Blick scheint Hargrove damit quasi eine fleischgewordene Bestätigung jener Thesen zu sein, mit denen der britische Journalist Stuart Nicholson in seinem 2006 erschienenen Buch Is Jazz Dead? (Or Has It Moved To A New Address) für hitzige Diskussionen sorgte.
Unter dem Druck der monopolisierten Musikindustrie und durch den konservativen Einfluss von Wynton Marsalis mutiere der Jazz im Mutterland des Genres, also in den USA, immer mehr zu einem musealen Schatten seiner selbst, während er etwa in Europa, wo er staatliche Förderung genieße, in unpuristischer Buntheit erblühe, so Nicholson. Die Rolle des letzten Mohikaners sollte man Kulturpessimist Hargrove, der zuletzt in den Alben Nothing Serious (aus 2006) und Earfood (2008) den Hardbop der 1950er-Jahre in süffiger, farbenreicher Virtuosität zelebriert, indessen nicht ganz abnehmen. Denn da war doch auch das 2003 initiierte Projekt The RH Factor, in dessen Rahmen Roy Hargrove seinen Jazz gekonnt und schillernd mit Stilen wie Parliament-Funk, TripHop und Soul kurzschloss:
Aufwachsen mit HipHop "Ich wuchs auf in der HipHop-Ära, das war die Musik meiner Generation. Mein Vater war ein Plattensammler, er sagte immer: Ich mag deine Jazzsachen, aber warum machst du nicht einmal etwas, das funky und zeitgenössisch ist? Er starb 1995, das RH-Factor-Projekt war mein Tribut an ihn. Ich wollte Musik aus meiner Jugend einbeziehen, von George Clinton und all diesen Typen. Natürlich war es auch ein Ziel, dadurch ein breiteres Publikum zu erreichen", resümiert Hargrove, zu dessen High-School-Freunden übrigens Sängerin Erykah Baduh zählte, die für viele überraschende Karriere-Zäsur.
Das Gespräch neigt sich langsam dem Ende zu. Und seriöser Journalismus heißt, dann doch auch unerwünschte Fragen zu stellen: Wie kam es also, dass ein unpolitischer Musiker vom Schlage Roy Hargroves im letzten Wahlkampf an "Jazz For Obama"-Konzerten mitwirkte? Politisch desinteressiert Hargrove: "Es war so, dass mich jemand für einen Gig anrief, und ich ging hin. Ich möchte mit Politik nichts zu tun haben. Denken Sie, dass uns Politiker Aufmerksamkeit schenken? Nein, sie tun es nicht! Vielleicht ist Obama ein Jazzfan, vielleicht nicht, es interessiert mich nicht. Ich kümmere mich um Wichtigeres, um Kunst und Musik. Sie werden diesbezüglich sicher nichts aus mir herauskriegen!" (Andreas Felber, DER STANDARD - Printausgabe, 3. November 2010)
"Vermeiden Sie bitte das Thema Politik", empfiehlt Larry. Und Larry muss es wissen, er ist schließlich Roy Hargroves Manager. Und Roy Hargrove, der global anerkannte 41-jährige texanische Trompetenkönner, ist das Objekt der Interview-Begierde - auch bekannt als ein Musiker, dem der Ruf vorauseilt, in Interviews mit eher provokanten Ansichten nicht hinter dem Berg zu halten. Nun denn: "Es gibt heute sehr viele Egomanen! Es gibt aber nicht viel Arbeit und nicht viele Gigs für Jazzmusiker. Gerade auf Europa trifft das zu, wo amerikanische Künstler in den frühen 1990er-Jahren, als ich zu touren begann, eigentlich noch sehr willkommen geheißen wurden. Nun kommen dort verstärkt europäische Musiker zum Zug. Das schafft Konkurrenzdruck unter den Musikern und zerstört die Kameradschaft", so äußert Hargrove seine Meinung über die aktuelle Stimmung in der Jazzszene. Gleichzeitig registriert er ein auch anderes Problem bei seinen Kollegen und Kolleginnen: "Viele sind sich zu wenig im Klaren darüber, was es eigentlich heißt, ein Jazzmusiker zu sein, was es dazu braucht: Das Songbook zu kennen, sich in den Harmonien auszukennen und Akkordfolgen zu erfinden, die nicht immer so dissonant, hässlich klingen, sondern ganz einfach schön."Wo bleibt der Fortschritt Er glaube an den Fortschritt, so wirft Hargrove schnell ein, man könne diesen aber zu weit treiben - und formuliert sein Credo: "Ich sehe mich heute als Teil jener Minderheit im Jazz, die die Tradition von Musikern wie Saxofonist Charlie Parker, Trompeter Dizzy Gillespie oder Louis Armstrong aufrechterhält. " Es ist doch verblüffend: So unverhüllt würde selbst ein notorischer Neotraditionalist wie Startrompeter Wynton Marsalis, der übrigens zu Roy Hargroves frühen Förderern zählte, seine konservative Botschaft nicht formulieren. Jazz als Musik des Fortschritts? Hier doch eher Fehlanzeige. Im Zentrum von Hargroves Aufmerksamkeit steht der Respekt vor der Tradition. Auf den ersten Blick scheint Hargrove damit quasi eine fleischgewordene Bestätigung jener Thesen zu sein, mit denen der britische Journalist Stuart Nicholson in seinem 2006 erschienenen Buch Is Jazz Dead? (Or Has It Moved To A New Address) für hitzige Diskussionen sorgte.
Unter dem Druck der monopolisierten Musikindustrie und durch den konservativen Einfluss von Wynton Marsalis mutiere der Jazz im Mutterland des Genres, also in den USA, immer mehr zu einem musealen Schatten seiner selbst, während er etwa in Europa, wo er staatliche Förderung genieße, in unpuristischer Buntheit erblühe, so Nicholson. Die Rolle des letzten Mohikaners sollte man Kulturpessimist Hargrove, der zuletzt in den Alben Nothing Serious (aus 2006) und Earfood (2008) den Hardbop der 1950er-Jahre in süffiger, farbenreicher Virtuosität zelebriert, indessen nicht ganz abnehmen. Denn da war doch auch das 2003 initiierte Projekt The RH Factor, in dessen Rahmen Roy Hargrove seinen Jazz gekonnt und schillernd mit Stilen wie Parliament-Funk, TripHop und Soul kurzschloss:
Aufwachsen mit HipHop "Ich wuchs auf in der HipHop-Ära, das war die Musik meiner Generation. Mein Vater war ein Plattensammler, er sagte immer: Ich mag deine Jazzsachen, aber warum machst du nicht einmal etwas, das funky und zeitgenössisch ist? Er starb 1995, das RH-Factor-Projekt war mein Tribut an ihn. Ich wollte Musik aus meiner Jugend einbeziehen, von George Clinton und all diesen Typen. Natürlich war es auch ein Ziel, dadurch ein breiteres Publikum zu erreichen", resümiert Hargrove, zu dessen High-School-Freunden übrigens Sängerin Erykah Baduh zählte, die für viele überraschende Karriere-Zäsur.
Das Gespräch neigt sich langsam dem Ende zu. Und seriöser Journalismus heißt, dann doch auch unerwünschte Fragen zu stellen: Wie kam es also, dass ein unpolitischer Musiker vom Schlage Roy Hargroves im letzten Wahlkampf an "Jazz For Obama"-Konzerten mitwirkte? Politisch desinteressiert Hargrove: "Es war so, dass mich jemand für einen Gig anrief, und ich ging hin. Ich möchte mit Politik nichts zu tun haben. Denken Sie, dass uns Politiker Aufmerksamkeit schenken? Nein, sie tun es nicht! Vielleicht ist Obama ein Jazzfan, vielleicht nicht, es interessiert mich nicht. Ich kümmere mich um Wichtigeres, um Kunst und Musik. Sie werden diesbezüglich sicher nichts aus mir herauskriegen!" (Andreas Felber, DER STANDARD - Printausgabe, 3. November 2010)