Diese Veranstaltung ist schon vorbei

Wann:

So 20. Sep 2015, 21:30

Wo: Chelsea, Lerchenfelder Gürtel 29, 16. Ottakring, Wien

Altersbeschränkung: Alle Altersklassen

Eingetragen von: Oeticket

SEΛ + ΛIR - „EVROPI“

600 Konzerte, 22 Länder, drei Jahre nonstop unterwegs in einem Europa der Aufbruchsstimmung. Ein Auftritt in Lissabon, während nebenan eine Demonstration in Krawallen endet. Begegnungen mit Konzertbesuchern in der Ukraine, die ahnen, dass ein Krieg bevorsteht. Geldstapel in verrauchten italienischen Clubhinterzimmern. Und mittendrin ein griechisch-deutsches Ehepaar.
 
SEΛ + ΛIR sind zur richtigen Zeit am richtigen Ort.  Das wird bei der Tour zu ihrem Debütalbum deutlich. Hier gibt es genug Stoff aus erster Hand für ein Album über Europa. Noch auf der Reise fängt die Arbeit an den Songs an. Was aus Mangel an musiktheoretischen Fähigkeiten und Aufnahmemöglichkeiten notgedrungen unter zahllosen Duschen und in unheimlichen Hotelzimmern Europas beginnt, wächst zu einer gewaltigen Idee heran: Warum nicht ein komplettes Album im Kopf komponieren?
 
Der Kopf dient dabei als natürliches Sieb, das die Spreu vom Weizen trennt: Nur einmalige Ideen und eingängige Melodien überleben die Nacht. Dazu der unmittelbare, alltägliche Bezug zu Europa und Elenis Familiengeschichte. Die Geschichte einer Reise von Kleinasien nach Griechenland, Deutschland und wieder zurück.
 
 „Meine Familie kennt es nicht anders. Seit meine Urgroßmutter 1922 aus Anatolien vertrieben wurde, waren meine Vorfahren auf Reisen. Ob als Flüchtlinge, Gastarbeiter oder als Musiker. Heimatlosigkeit liegt in unseren Genen und erklärt vielleicht warum ich nicht lange an einem Ort bleiben kann.“, erzählt Eleni von SEΛ + ΛIR nach ihrer dreijährigen Tour.
 
„Auf einer solchen Reise die verschiedenen Gesichter Europas aus der Nähe zu betrachten und sich selbst überall wiederzuentdecken, erschafft eine eigenartige Spannung. Ebenso wie die Dunkelheit der Vergangenheit gegen das Licht einer möglichen Zukunft kämpft, bringen die auf dieser Tour erlebten Emotionen eine positive, innere Unruhe für das neue Album. Wir mussten uns selbst fragen: Kann man das bringen?“,  resümiert Daniel.
 
Nach diversen Preisen, alle Erwartungen übertreffenden Verkaufszahlen des Debütalbums und zuletzt meist ausverkauften Konzerten eine berechtigte Frage.
 
Schaut man jedoch zurück zur ursprünglichen Idee des Pop, lautet die Antwort: unbedingt! Popmusik war mal gefährlich, aufregend. Popmusik hat mal gestört, war rebellisch. Darin bestand der Unterschied zum Schlager. Auch wenn diese Tage lange vorbei sind, sind SEΛ + ΛIR noch nicht bereit, den rohen Geist der Popmusik ad acta zu legen. Sie zeigen: Popmusik kann noch überraschen. Musikalisch und inhaltlich. Genau dieser Kampfgeist macht die Platte aus.
In einer Zeit, in der Musik von ihrer Industrie immer mehr als „Kunst“ inszeniert und vermarktet wird, wirken selbst die Texte auf Evropi rebellisch. Simple, beinahe naive Geschichten über drei Frauen in der Diaspora. Über jene Themen, um die es in einer Lebensreise unterm Strich geht: Liebe, Frieden und Verständnis. Wodurch sich auch der Kreis zum Schlager wieder schließt. Popmusik muss eben doch von Herzen kommen.
 
Ihre Musik bezeichnen SEΛ + ΛIR als „Ghost Pop“. Eine Mischung aus längst verloren geglaubten mediterranen Melodien und exotischen Instrumenten, die über Generationen weitergegeben wurden und ihre eigenen Geschichten erzählen. Der typische SEΛ + ΛIR Sound des Debüts - das Cembalo, die krautige Experimentierfreudigkeit der 70er, sowie augenzwinkernde Stadionrockmomente in all ihrer Deutschness - wird bei diesem Album mit sämtlichen griechischen Wassern gewaschen.
 
Beeinflusst von pontischer Musik und Rembetiko, kommen traditionelle griechische Instrumente wie Lyra oder Bouzouki zum Einsatz. So lädt bereits das Intro „We All Have To Leave Someday“ auf eine abenteuerliche, musikalische Reise ein. Experimentiert wird mit byzantinischem Gesang und der rhythmischen sowie emotionalen Freiheit einer jahrhundertealten Musiktradition, die insbesondere bei „Flowers From The Distance“ von Elenis entrückter Stimme eingefangen wird.
 
Das Spiel mit den Extremen und Geschlechterrollen treiben SEA + AIR gerne auf die Spitze. Daniels Falsetto und Elenis androgyne Stimme verwirren bisweilen den Hörer. Kryptisch bleibt, wer bei Stücken wie „Mercy Looks Good On You“ oder „HaHaHaHaHa“ gerade singt.
 
Das orchestrale „Lady Evropi“ erweist sich als prophetische Vision zur aktuellen Lage Griechenlands, indem es seine zwiespältige Beziehung zu Europa beschreibt. Mit verspielter Leichtigkeit und emotionaler Schwere samt der Weigerung, es allen recht machen zu wollen, ist dem griechisch-deutschen Ehepaar mit ihrem zweiten Album ein kontinentaleuropäisches Werk abseits jeder Kategorisierung gelungen. Trotz seiner Eigenwilligkeit und dem selbstbewussten Abstand von angloamerikanischen Einflüssen erreicht es den internationalen Pop-Hörer mit eingängigen Nummern wie „Should I Care“ oder „Peace Begins At Home“, die jedes Kind mitsingt, wenn es die Eltern im Radio hören.