Diese Veranstaltung ist schon vorbei

Wann:

Sa 7. Nov 2015, 22:00
Sa 5. Dez 2015, 22:00

Wo: Kabarett Niedermair, Lenaugasse 1a, 08. Josefstadt, Wien

Altersbeschränkung: Alle Altersklassen

Eingetragen von: Oeticket

Vorgeschichte: Früher sangen Christoph & Lollo ja nur über Skispringer. Als ihnen das nach zehn Jahren zu langweilig wurde, wandten sich die beiden Liedermacher aus Wien anderen Themen zu. Vorwiegend solchen, zu denen es noch keine Lieder gab: das verlogene Musik-Sponsoring-Business, die Unterdrückung der Hebammen durch die Ärzte, Globalisierung, schlechter Sex, schlechte Lehrer und so weiter.
Gleichzeitig begannen Christoph & Lollo, ihre Live-Tätigkeit auf eine breitere Basis zu stellen: Was früher nur in Indie-Clubs und auf Alternative-Festivals stattfand, passt jetzt auch sehr gut auf Kabarettbühnen, Liedermacherkonzerte, ja sogar Comedy-Abende. Erfolgreiche Teilnahmen bei den renommierten Wettbewerben Kabarett-Kaktus (München) und Scharfrichterbeil (Passau) machten das Duo in der deutschsprachigen Kleinkunstszene bekannt. Volle Konzerte und ein Publikum, das die Texte auswendig mitsingt, beweisen: Die Welt braucht solche Lieder. Und die Welt braucht Musiker, die sich auf Bühnen stellen und diese Lieder singen. Jetzt sind Christoph & Lollo nicht mehr die mit den Schispringerliedern, sondern die, die über Themen singen, über die sonst niemand singt. Auf „Tschuldigung.“ wird dieser Plan konsequent weiter verfolgt – elf Lieder, das bedeutet hier elf brennende Themen: ein forsches Wienerlied über einen Herrn namens Karl-Heinz (bekannt aus dem YouTube-Video mit mehr als 200.000 views), ein bissiges Protestlied zum Thema öffentlicher Raum, eine schmissige Verhöhnung dummer Internetforenposter, ein bedrückendes Schlaflied über bürgerliche Bequemlichkeit, zum Beispiel. Das ist alles ganz nah dran an der traurigen Realität, die hier knochenhart und ohne Umweg beim Namen genannt wird. Zum Heulen wäre das eigentlich, hätten Christoph & Lollo nicht diesen schamlos bösartigen Humor, der sich – manchmal vordergründig, manchmal hintersinnig – durch alle ihre Lieder zieht.
„Tschuldigung.“ ist ein musikalisch sehr gelungenes Album. Aufgenommen wurde in Alex Tomanns Dolphin Suite Studio, in dem zum Beispiel auch die aktuellen Alben von Francis International Airport, Trouble Over Tokyo oder Velojet entstanden. Christoph & Lollo haben sich hier offensichtlich Zeit gelassen und erstmals auch in größerem Umfang andere Musiker beteiligt. Die E-Gitarre von Lelo Brossmann (Kreisky, Litterbox), die Hammond- Orgel von Markus Marageter (Hot Pants Road Club) oder die Steirische Harmonika von HP Falkner (Attwenger) setzen hier Akzente, die das Album abwechslungsreich und, ja, poppig gestalten.
Die stärksten Momente des Albums sind aber die, in denen das Duo mit dem klassischen Singer-Songwriter-Sound auskommt, wie „Diese Stadt“ zum Beispiel: Hier wird anhand alltäglicher Beispiele der Ausverkauf des öffentlichen Raums thematisiert – staubtrocken, ohne Ironie und mit scharfem Blick auf die Wirklichkeit. Von einer gepfiffenen Hookline umrahmt, steigert sich das Lied vom leisen Zweifeln zur wütenden Anklage gegen die Zustände in modernen Städten: Baukartelle, Immobilienspekulanten, Video-Überwachung und Glücksspielghettos – der Protagonist kann hier nur zum resignierenden Schluss „Die Stadt gehört schon längst nicht mehr uns“ kommen.
Ganz anders der Protagonist im „Islamlied“: In diesem fröhlich vorgetragenen Ohrwurm besingt ein schreckhafter Durchschnittsbürger seine Angst vor dem Islam – das ist sehr frech und sehr komisch. Diese böse kleine Blödelei von einem Lied trifft in ihrer scheinbaren Naivität mitten ins Herz unserer Gesellschaft und bringt das kontroverse Thema raffinierter und bündiger auf den Punkt, als das Zeitungsartikel oder TV-Berichte können. Der von der Wirklichkeit gebeutelte Mensch triumphiert hier dank des Humors über die grausame Außenwelt und findet so seinen Lustgewinn. Sigmund Freud hätte eine große Freude daran. Im vorletzten Lied „Musikbusiness“ schließlich erzählen Christoph & Lollo drei Strophen lang ausführlich, wie sie ihr Geld verdienen werden, wenn der große Durchbruch wieder ausbleibt. Dass dabei ganz nebenher die gesamte Musikszene aufs Gröbste beleidigt und mit ätzendem Spott bedacht wird, macht das Lied zu einem kleinen Meisterwerk gehobener Frechheit und Respektlosigkeit. Aber genau das macht das Besondere dieser Zwei-Mann-Band aus – auf gut wienerisch: Die beiden scheißen sich nix. Hier wird nicht nur auf dem Albumcover groß das Maul aufgerissen. Danach heißt´s dann verschmitzt „Tschuldigung.“ Wer´s glaubt.