Richard.Zwei

Regie: Laurent GröflinBühne/Kostüme: Jörg ZysikDramaturgie: Christian Hansen & Michael HanischMit: Robert Arnold, Endre Holéczy, Johannes Karl, Lucie Mackert und Nicole Schneider
Eine Produktion der Lumpenbrüder Productions / Tübinger Zimmertheater (D)

Der Staat ist bankrott, der Hofstaat korrupt, die Iren aufständig – Richard II. lässt es sich und seinen Günstlingen am Hofe gut gehen. Um Geld für den unausweichlichen Irlandfeldzug heranzuschaffen, überzieht der schöngeistige Regent das Land mit Steuern, Strafzöllen und Sonderabgaben, und macht auch vor den Speichern seiner Herzöge und Earls nicht Halt. Seinen ambitionierten Cousin Henry Bolingbroke verbannt Richard kurzerhand aus England und macht sich über dessen rechtmäßiges Erbe her.
Doch rasant zieht sich die Schlinge um Richards Hals zu: Der Enterbte kehrt zurück und wird der neue starke Mann im Staat. Massenhaft laufen die von Richards Agieren empörten Adligen und Soldaten zum zurückgekehrten Bolingbroke über. Auf der Flucht beginnt Richard sein Scheitern und die Grenzen politischer Macht zu reflektieren –, während sich Bolingbroke zu Heinrich IV. krönen lässt.Shakespeares Stück erzählt vom tiefen Fall eines selbstgewissen Monarchen, der die Entwicklung zum fehlbaren Mensch nimmt. In dieser sensationellen Inszenierung der Lumpenbrüder Productions ist die Auseinandersetzung mit den Unsicherheiten eines Unfehlbaren, seinem Niedergang und dem Verlust der Macht aktuell wie eh und je.
Das deutsche Theaterkollektiv Lumpenbrüder Productions rund um Laurent Gröflin und Christian Hansen (siehe nächste Seite!) hat nach langer Beschäftigung mit Ausgestoßenen, Vergessenen und Unterdrückten die Seiten gewechselt und legt sich mit einem der ganz Großen an; einem, über dem nach eigenem Empfinden nur noch Gott steht; einem, dem es an nichts zu fehlen scheint auf den ersten Blick; einem, dem nur die eigene Hybris den Platz an der Sonne streitig machen kann.
Lumpenbrüder Productions
Lumpenbrüder Productions wurden 2007 von Regisseur Laurent Gröflin und Autor / Dramaturg Christian Hansen gegründet, um der erfolgreichen und krisenerprobten Zusammenarbeit während ihres Stipendiats an der WasIhrWollt -Akademie von Tom Stromberg und Peter Zadek in Brandenburg einen Pfad in die Zukunft zu ebnen, – frei nach dem Namen des Entstehungsortes von Lumpenbrüder: Was Wir Wollen!
In Form einer infrastrukturellen Basis ermöglicht Lumpenbrüder die Entwicklung, Ausarbeitung und Umsetzung eigener künstlerischer Vorhaben und gewährleistet darüber hinaus allen Mitwirkenden ein Mindestmaß an kreativer Entfaltungsfreiheit und Selbstbestimmung, wie sie für den einzelnen Künstler auf dem freien Markt nicht durchzusetzen ist. Verboten ist unter Lumpenbrüdern lediglich das Eine: kreatives Siechtum. Mit hohem Anspruch folgt man Becketts Worten: „No matter, try again, fail again, fail better“.
„Aus diesem Grund haben wir Lumpenbrüder gegründet: um bedrohte Schaffenskräfte zu schützen. Sie hochzupäppeln. Auszuwildern. Art-gerecht, sozusagen. Die Bündelung schöpferischen Potentials ist sehr wohl ein erklärter Zweck der Lumpenbrüder; das Ziel jedoch liegt in der Anwendung dieser Kräfte.“ (Eigenaussage Lumpenbrüder)
Angesichts der Tatsache, dass Richard.Zwei im Jahr 2012 seit 612 Lenzen tot ist, könnte man meinen, dass die Mindesthaltbarkeit der Stoffvorlage möglicherweise abgelaufen sei. Die unkonventionelle Arbeit der Lumpenbrüder beweist, dass dieses selten gespielte Werk auch heute noch mehr als reichlich Anschauungsmaterial zum Thema Macht, Liebe und Verrat bietet. Das Stück, mit dem Shakespeare bereits einen psychologischeren Königsdramenstil verfolgte, rückt die die menschlichen Aspekte ins Zentrum der szenischen Betrachtungen und die Bezeichnung „zeitgenössisch“ ohne weiteres verdient.