Diese Veranstaltung ist schon vorbei

Wann:

Mi 19. Okt 2011, 20:00–00:00

Wo: Burgtheater, Doktor Karl Lueger Ring 2, 01. Innere Stadt, Wien

Eingetragen von: Oeticket

"Der Friedhof in Prag - Umberto Eco und die Kraft des Falschen" - Buchpräsentation mit Umberto Eco und Peter Matic und anschließendem Gespräch zwischen Umberto Eco, Alexandra Föderl-Schmid (Der Standard) und Michael Kerbler (Ö1): Gesetzt den Fall, Sie erwachen eines Tages und müssen die Erfahrung machen, dass sich Ihr gesamtes Leben in nichts aufgelöst hat, dass sich Ihre Erinnerung hinter Nebelschwaden verbirgt, die nur für kurze Momente bruchstückhaft Details preisgeben. Der Arzt, den Sie aufsuchen, rät Ihnen so vorzugehen wie ein sachkundiger Archäologe, der einen interessanten Fundort zu erkunden beginnt: Schicht um Schicht abzutragen, zuerst mit grobem Werkzeug, dann mit dem Pinsel, um die Scherben der Erinnerung zu erhalten, damit sie wieder zusammengefügt werden können.
 
Der Mann, dem dieser Gedächtnisverlust in Umberto Ecos jüngstem Roman „Der Friedhof in Prag“ zustößt, ist Hauptmann Simone Simonini. Das Werkzeug, das der etwa 67-jährige Italiener zur Rekonstruktion seines Gedächtnisses benutzt, ist ein Tagebuch. Und dieses Tagebuch und eine zweite Person, die gemeinsam mit Simonini im Haus wohnt, der Prälat Dalla Piccola, stehen am Beginn des Romans, der in luzider Weise davon berichtet, wie aus Lüge Geschichte wird. Und wie Geschichte funktioniert. Und was es braucht, um sie in Gang zu halten. Fälscher etwa, von denen Eco einen sagen lässt.“Ich stelle keine Falsifikate her, sondern nur Kopien von echten Urkunden, die verloren gegangen sind oder, aus banalem Versehen, nicht mehr ausgestellt werden konnten, die aber existieren könnten und müssten.“ Was ist echt, was ist falsch? Was das Original, was das Spiegelbild? Womit wir bei einem Lieblingsmotiv Umberto Ecos angelangt sind: dem Spiegelbild. Denn der Roman demonstriert, wie sich die Geschichte eines Jahrhunderts in einem anderen widerspiegeln kann, und wie Wahrheit und Lüge, verpackt in die Kunst der Verstellung, mit großer Suggestionskraft den Gang der Ereignisse beeinflussen können. Niemals zuvor war der Protagonist in einem Roman Umberto Ecos ein böser, ein schlechter Mensch. Simonini scheint er nach dem Motto „Odio ergo sum“ (ich hasse, also bin ich) zu leben. Faszinierend übrigens, dass alle Personen, die im Roman vorkommen, tatsächlich gelebt haben, mit einer Ausnahme: der Meisterfälscher Simone Simonini. Der aber agiert mit so folgenreicher Intensität – er verbreitet ein gefälschtes Dokument über die „jüdische Weltverschwörung“ -, dass sich das Bild verwischt und die Grenzen zwischen Lüge und Wahrheit auflösen. Und damit das Vertrauen in Geschichte und Geschichten.Eine Kooperation mit dem Italienischen Kulturinstitut in Wien, Ö1, „Der Standard“ und in Zusammenarbeit mit dem Hanser Verlag